Haben Sie als Kind früher auch so gerne die Welt durch bunte Glasmurmeln betrachtet? Ich fand das immer faszinierend. Vielleicht haben Kirchenfenster deshalb so eine große Wirkung auf mich. Farben ziehen mich magisch an. Ganz wie von selbst wird meine Aufmerksamkeit auf die farbigen Fenster gelenkt, ganz besonders, wenn das Sonnenlicht hindurch scheint. Ich betrachte das Zusammenspiel der Farben, die Muster und bin wie verzaubert durch das bunte Licht, das in den Kirchenraum fällt.
Dieses Bild von unserem Kirchenfenster mit seinen zarten Farben hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Vielleicht empfinden Sie es auch so wie ich: Wenn im Gottesdienst das helle Tageslicht durch die bunten Scheiben in vielfarbiges Licht verwandelt wird, dann ändert sich die Atmosphäre des Kirchenraumes. Der ganze Gottesdienst erscheint mir dann buchstäblich in einem anderen Licht. Das farbige Glas wird zur Lichtquelle, wenn das Sonnenlicht das Glas durchdringt und aufleuchten lässt.
So ist dieses andere Licht ein Symbol für Gottes Wirklichkeit, die in unser Leben scheint. Von Bernhard von Clairvaux, dem mittelalterlichen Ordensvater der Zisterzienser, stammen die Worte: „Die Vereinigung der menschlichen Seele mit Gott ist ein Eintauchen in das unendliche Meer ewigen Lichtes und leuchtender Ewigkeit.“ Finden Sie nicht auch, dass wir im Aufleuchten eines Kirchenfensters dieses unendliche Meer ewigen Lichtes erahnen können?
Aber Kirchenfenster faszinieren mich auch noch aus einem anderen Grund. Die farbigen Kirchenfenster lassen wohl das Licht von außen in den Kirchenraum, aber ich kann nicht richtig hinausschauen. Die Reize von außen, die mich ablenken von meinem Präsentsein im Gottesdienst, sie erreichen mich nicht. Ich kann mich ganz auf Gott konzentrieren, kann mein Herz, meine Seele öffnen und zur Ruhe kommen.
Und dann wird mir deutlich: Das, was ich suche, ist nicht da draußen, es ist in mir! Das, was ich suche, ist schon da. Gott hat es in mich hineingelegt. Sein Wort lebt in mir. Ich bin beschenkt, weil ich ein Kind Gottes bin. Er hat dich und mich zu etwas ganz Wertvollem gemacht, weil er seinen Geist in dich und in mich gelegt hat. Mit jedem Atemzug, den wir tun, werden wir daran erinnert, dass sein Geist in uns lebendig ist.
Diese Erkenntnis befreit mich. Diese Wahrheit hängt nicht ab von meinen Lebenserfolgen. Wie oft machen wir uns innerlich abhängig von solchen Lebenserfolgen? Wie oft suchen wir unseren Wert in unseren Leistungen, in unserem Äußeren, in guter Darstellung?
Ich bin nicht dadurch etwas, dass ich am Ende etwas vorweisen kann. Und ich bin auch nicht deshalb nichts, weil ich vielen etwas schuldig bleibe. Ich bin etwas, weil Gott mich schon längst zu etwas gemacht hat, was ich bleiben darf und woran niemand etwas ändern kann, weder Erfolg noch Versagen, weder Lob noch Tadel. Die ganze Wahrheit ist, dass wir durch Gottes Sohn Söhne und Töchter Gottes sind und bleiben dürfen. Und diese Wahrheit liegt in uns.
Und während ich noch darüber nachdenke auf welchen Weg mich der Anblick unseres Kirchenfensters gebracht hat, kommen mir Verse eines Liedes in den Sinn, das ich wunderschön finde: Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden; mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden. (EG 346)
Das, was wir suchen, ist schon da. Gott hat es in uns hineingelegt. Auch wenn wir das momentan nicht miteinander feiern, singen, beten, hören und schmecken können, so sind wir doch gemeinsam auf dem Weg, diese Wahrheit in uns zu entdecken. Wir bleiben auch in dieser schwierigen Zeit miteinander verbunden.
Ach, und wenn Sie dieses Lied auch singen möchten, dann wird Marvin Sie begleiten. Er hat dieses Lied (und noch andere) für uns gespielt. Klicken Sie hier, um direkt zu "Such, wer da will" zu gelangen!
Bleiben Sie behütet,
Ihre Sabine Krüger